Frau mit Buch

1 Jahr im Glas? Cooler Titel, oder? Der ist allerdings nicht auf meinem Mist gewachsen sondern bezeichnet das Projekt / Lebenswerk von Annemarie Miesbauer. Annemarie hat den Restmüll eines ganzen Jahres in einem 1,5 Liter Glas gesammelt und darüber auf ihrem Blog geschrieben. Außerdem hat sie dazu ein Buch veröffentlicht, das ich auch bei Auserlesenes auf meinem Blog im Februar präsentieren darf. Die Rezension findest du dann bei Auserlesenes.

Jedenfalls hat mich nach dem Lesen des Buches der Mensch hinter diesem Projekt interessiert und kurzerhand habe ich Annemarie dann angeschrieben und um ein Interview gebeten. And here it is. 

Wer bist du?

Mein Name ist Annemarie Miesbauer, ich bin Autorin meines Müllvermeidungsbuches: „Wenn die Verpackungshüllen fallen…“, Volksschullehrerin und Mutter.

Stelle bitte kurz deine Mission vor und wie es dazu kam:

Durch eine Dokumentation („Weggeworfen“) bin ich auf das gravierende Problem der Müllproduktion aufmerksam geworden. Die Informationen über die „Vermüllung“ unseres Planeten und die gesundheitlichen Schäden durch die Inhaltsstoffe der Verpackungen haben mir die Augen geöffnet und mir war in diesem Moment klar: da mache ich nicht mehr mit. Seit nun 8 Jahren beschäftige ich mich also damit, wie wir Verpackungen aus unserem Alltag verbannen können und welche Alternativen es gibt.

Frau mit Glas in der Hand

Wann wusstest du, dass du JETZT losgehen willst, um es zu verwirklichen?

Als der Abspann der Dokumentation auf meinem Fernseher lief war ich so geschockt und sprachlos, dass ich in diesem Moment beschloss: Da bin ich nicht mehr dabei. Da mache ich nicht mehr mit. Ich war von den Bildern und den endlosen Informationen so gepackt, dass ich sofort anfing meinen Kühlschrank und meine Schränke unter die Lupe zu nehmen und darüber nachdachte, was ich wie ersetzten könnte. Es war eine spannende Reise und es hat mich nicht gestresst – wie man vielleicht annehmen könnte – sondern ich fand es aufregend neue Wege zu finden und meinen Beitrag zu leisten.

Was war der ausschlaggebende Faktor?

Die Welt erstickt im Müll und wir sind dran Schuld – gleichzeitig können wir aber auch etwas ändern. Ja, müssen etwas ändern. Die gesundheitlichen Auswirkungen die all die Chemikalien in diversen Verpackungen auf unseren Körper (es wird angenommen, dass z.B. Weichmacher Allergien, Krebs, Unfruchtbarkeit uvm. auslösen können) und unsere Umwelt haben, haben mich extrem abgeschreckt und wachgerüttelt. Ist das eine Welt, die ich meinen Kindern hinterlassen möchte? Ich will, dass mehr von mir bleibt, als ein Haufen Müll.

Ich will, dass mehr von mir bleibt, als ein Haufen Müll
Annemarie Miesbauer

Gab es anfangs Hindernisse? Wenn ja, wie hast du diese überwunden?

2014 gab es erst einen einzigen Unverpacktladen in Österreich. Ich hatte Glück – er war bei mir um die Ecke. So konnte ich relativ schnell meine Lebensmittel unverpackt beziehen. Schwierig waren Kleinigkeiten, wie Medikamente oder Toilettenpapier. Andere Dinge, die schwer zu finden waren habe ich umgestellt und Alternativen dazu gefunden. Wie zum Beispiel Abschminkpads aus Stoff, DIY Gesichtspflege, etc. Manche Dinge findet man nicht unverpackt – da frage ich mich immer noch: Brauche ich das wirklich? So konnte ich viele Produkte aus meinem Leben eliminieren, was teilweise meiner Gesundheit nicht geschadet hat oder meinen Geldbeutel aufatmen ließ.

Was unterscheidet dich von anderen Bloggerinnen/Autoren zu dem Thema?

Das finde ich schwer zu sagen. Ich bin in Österreich eine der ersten, die sich mit dem Thema auch öffentlich auseinandergesetzt hat. Ich habe außerdem mit Beginn meines Blogs ein Experiment gestartet: ich wollte ein Jahr lang nur so viel Müll produzieren, wie er in ein Einmachglas passte.

Lächelnde Frau

Welche 3 Tipps kannst du Menschen geben, die nachhaltiger/müllfreier leben wollen?

Nimm deinen Besitz und deinen Konsum unter die Lupe. Frage dich: Was brauche ich wirklich? und überlege, welche „Müllfallen“ du in deinem Leben hast. Welche Lebensmittel, Hygieneprodukte oder Putzartikel kannst du ganz ohne Verpackung, in einer nachhaltigen Verpackung kaufen oder sogar selber machen? Umdenken ist gefragt, aber mit ein bisschen Übung und der richtigen Ausrüstung (also zum Beispiel Stoffbeutel oder eigene Behältnisse für deinen Käseaufschnitt) kann es jede:r schaffen, weniger Müll zu produzieren. Vielleicht hast du einen Unverpacktladen, einen Markt oder einen Bioladen in deiner Nähe und findest heraus, wie man Lippenbalsam oder Allzweckreiniger selber herstellt. Der Weg zu weniger Müll ist sehr individuell, aber mit einer Bestandsaufnahme, einer alternativen Einkaufsliste und den richtigen Einkaufsmöglichkeiten ist es auf jeden Fall machbar.

Welche Pläne für die Zukunft hast du?

Mein Bestes geben. Also: weiterhin ein so müllfreies Leben wie möglich zu führen. Zwar passt mein Müll mittlerweile nicht mehr in ein Glas, aber ich bemühe mich darin, meinen Kindern einen bewussten Zugang zu dem Thema zu lehren, indem wir auf die Verpackungen achten, Müll vermeiden und viele Dinge selber machen.

Wo findet man dich? (Website, Instagram, Facebook usw.) Und wo im wirklichen Leben?

Auf meinem Instagramaccout @einjahrimglas bin ich am aktivsten und ich freue mich, wenn du mir dort folgst. Ansonsten kannst du dich gerne durch mein Jahr im Glas stöbern oder ein paar Tipps für Müllvermeidung mit Baby auf meinem Blog holen: www.einjahrimglas.at
Im echten Leben wohne ich mit meinen zwei Kindern und meinem Mann in Wien und genieße die Vorzüge, die mir die Großstadt bietet.

Gibt es bei all den Büchern, die du gelesen hast, das EINE Buch, das dein Leben verändert hat?

Ja, das gibt es. No Impact Man (Alles Öko!) von Colin Beavan. Darin wird nicht nur Müllvermeidung behandelt, sondern er erzählt von seinem Selbstversuch, so nachhaltig und umweltschonend wie möglich zu leben und seinen ökologischen Fußabdruck auf Null zu bringen. Sehr interessant und regt auf jeden Fall zum Nachdenken an.

Gibt es DIE eine Routine, die du täglich anwendest?

Ich packe meinen Koffer und nehme mit… Das Spiel kennt sicher jede:r. Für mich ist vorbereitet sein das A und O der Müllvermeidung. Ich achte also darauf, dass ich immer meine Trinkflasche, einen Stoffbeutel und ein Einkaufssackerl mit dabei habe. Das klingt vielleicht banal, aber es hilft mir tagtäglich Müll einzusparen.

Sitzende Frau

Hast du ein Lebensmotto?

„Es geht nicht ums HABEN, sondern ums SEIN.“

Bist du glücklich? Wenn ja (was ich hoffe): was tust du dafür?

Ich finde glücklich sein wird überbewertet. Es ist ein Ideal, das manchmal so fern und unerreichbar scheint. Manchmal fühlt man sich von der Gesellschaft unter Druck gesetzt, glücklich zu sein. Man hat ja alles was man braucht. Aber was braucht man? Und wer darf das entscheiden? Es gibt immer wieder Momente, in denen ich glücklich bin. Aber sonst reicht es mir auch zufrieden zu sein. Und dankbar. Für das leise Atmen meiner schlafenden Kinder. Für ein gutes Buch in meiner Hand. Für einen stressfreien Arbeitstag oder ein gut gelungenes Abendessen. Für ein Frühstücksdate mit einer Freundin oder einen inspirierenden Museumsbesuch. Vielleicht ist Zufrieden sein mein Glück. Was ist deins?

Und zum Schluss: was möchtest du noch sagen?

Hab noch einen schönen Tag. Und nicht vergessen: Du schaffst das!

 


Vielen Dank für dieses tolle Interview liebe Annemarie! Du bist ein Vorbild, einige deiner im Buch vorgestellten Rezepte (z.B. für Puder, Deo, Aufläufe) habe ich schon getestet und werde sie in meinen Alltag integrieren. Du hast mich „angesteckt“ im positiven Sinne. Solche Menschen braucht die Welt da draußen, die mutig vorausgehen und das, was sie stört und sie nicht mehr länger ertragen können, verändern. Vielen Dank!

Herzliche Grüße,
Petra  ❤