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Über mehrere Ecken wurde ich auf Jessica Könnecke von Mit Ecken und Kanten aufmerksam. Zum einen natürlich, weil ich mich seit einiger Zeit immer mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftige, zum anderen, weil mich #localheroes sehr interessieren, da ich so gerne über sie berichte, weil Nürnberg diesbezüglich einfach so viel(e) zu bieten hat. Außerdem gab es bei Effektvoll einen Beitrag über Jessica und beim Podcast No Time for Average von Jeanine Hurte auch noch ein Interview. Also kontaktierte ich Jessica spontan über ihren Facebook-Account und bat sie um ein Treffen für ein Interview, das dann letzte Woche in ihrem Laden in Nürnberg stattgefunden hat.

by Petra Bäumler, privat

Zuerst durfte ich mich im Shop umsehen. Da schlägt das Nachhaltigkeits-Herz wirklich höher (falls Ihr noch nicht da wart, schaut unbedingt einmal vorbei!) Es gab Seifen, Deocremes, Notizbüchlein, Hautpflege, Shirts, Kinderkleidung, Rasierhobel, Strumpfhosen, Yoga-Matten usw. – also ALLES.WAS.DAS.HERZ.BEGEHRTE!

Ich habe mir gleich diese wunderschöne Glastrinkflasche von Carry gekauft, die mich seitdem begleitet und schon für sehr nette Gespräche sorgte! Natürlich habe ich sofort den Laden empfohlen!

All diesen nachhaltig und fair produzierten Dingen gibt Jessica eine zweite Chance, sie würden sonst auf Grund von „Ecken und Kanten“ nicht mehr verkauft werden können und in den meisten Fällen im Müll landen! Schönheitsfehler können z.B. sein: ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum, eine kleine Macke im Karton, Produkte, die aus dem Sortiment auslaufen, so dass sie nicht mehr verkauft werden können, Webfehler oder Farbflecken etc.

Ich durfte mir die zu verkaufenden Sachen anschauen, in den allermeisten Fällen konnten wir beide nichts erkennen. Jessica meinte, dass die Dinge oft mit einem Post-it-Zettel an der betreffenden Stelle gekennzeichnet sind und sie erkennt es oft selbst nicht. Umso besser für den Laden und die Kunden! Somit haben sie die Möglichkeit, diese tollen und hochwertigen Produkte oft sogar für die Hälfte des Originalpreises zu kaufen! D.h. eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten – schließlich ist es ja auch den Unternehmen ein Anliegen, dass ihre Produkte nicht weggeschmissen werden müssen sondern letztendlich doch noch an den Kunden kommen.

Why so perfect, honey?

Das Motto, das sich durch Jessica’s Leben zieht, passt perfekt zu der dynamischen, vor Energie und Lebensfreude sprühenden jungen Frau. Perfekt war es anfangs nicht, aber das hat sie nie daran gehindert, einfach zu starten. Und der Erfolg gibt ihr Recht. Wann ist man schon bereit für so etwas? Die meisten Dinge, die seitdem auf sie zukamen, wurden gemäß dem Prinzip learning by doing getan. Vieles ergibt sich eben erst aus der Situation heraus, dann reagiert sie – und das scheint genau ihr Ding zu sein.

Während ihres Masterstudiums im Marketing in Schweden, das sie im Juni 2017 beendete, arbeitete sie für zahlreiche nachhaltige Start-Up-Unternehmen im Bereich Fairfashion oder Foodkooperation, für die sie z.T. die Website oder den Blog betreute. Hier schrieb sie auch ihre Masterarbeit, die sich mit dem Thema faire Kindermode befasste.

Nach Ende des Studiums ging sie nach Berlin, wo es sie ebenfalls in Richtung Nachhaltigkeit und circular economy zog (hier werden Ressourcen und deren Abfallproduktion minimiert und gelangen dann wieder zurück in den Wirtschaftskreislauf, z.B. durch Reparatur oder Weiterverwendung). Auch hier arbeitete sie wieder für Start-Ups im Bereich Fairfashion. Jessica knüpfte schnell Kontakte, u.a. zu einer Schneiderin, die Musterteile ihrer Kollektionen nicht verkaufen konnte. Diesen „Ausschuss“ zu sehen, der in die Mülltonne gelangen sollte, war sicher mit einer der Hauptgründe, warum sie ihre Idee zu Mit Ecken und Kanten hatte. Das Konzept hierzu kam dann schließlich auf der Zugfahrt am Ende ihrer Berlin-Zeit. Sie wollte diesen Dingen eine zweite Chance geben, wollte sie retten und sie wieder zurück in den Kreislauf bringen. Das war im Sommer 2017.

Den Online-Shop hat Jessica dann bereits im November 2017 mit ihrem Freund zusammen gegründet – im Keller des Elternhauses. Hier hat sie die Sachen gestapelt und für den Versand vorbereitet.

Ihr Konzept ging von Anfang an auf. Als das dann einfach zu viel wurde, sie immer mehr Produkte stapeln und v.a. verpacken und verschicken musste, wurde sie durch Zufall auf ein Ladenlokal in der Nürnberger Südstadt aufmerksam, das sie kurzerhand mietete. Den Laden eröffnete sie dann im September 2018 ohne große finanzielle Rücklagen, anfangs kaufte sie die Produkte noch auf Kommission. Sie schrieb die Firmen, mit denen sie kooperieren wollte, einfach direkt an. Von Anfang an ist sie hier nur auf positive Resonanz gestoßen, genau so ein „Outlet“ für nachhaltig und fair produzierte Ware fehlte einfach noch. Und das macht Jessica und den Laden so erfolgreich und sie perfekt für meinen Blog, in dem ich Euch über Menschen berichte, die ihr Herzensprojekt bereits verwirklicht haben. Sie sah ein Problem, für das es noch keine Lösung gab – und machte es kurzerhand einfach selbst!

Die Firmen, die sie heute beliefern, sind z.B.

Foto by Jessica Könnecke, privat

Natürlich kann sie vorher nie wissen, welche Artikel in welcher Anzahl kommen, weshalb die Stücke aber umso exklusiver sind. Sie werden dann sowohl im Online-Shop als auch im Laden angeboten. Jessica und ihr Team (ihr Freund und zwei fleißige Werkstudentinnen) nehmen dort die eintreffenden Artikel in Empfang, fotografieren sie, lagern sie im hinteren Teil des Geschäftes ein, bearbeiten die Bestellungen und bestücken die Regale. Auch der Versand wird hier auf großen Packtischen vorbereitet, mehrmals pro Woche kommt der DHL-Fahrer, um alles zeitig an die glücklichen Kundinnen und Kunden zu verschicken. Inzwischen hat der Laden an zwei Tagen pro Monate geöffnet, die Zeiten findest du aktuell immer hier. Aber keine Sorge: der online-Shop ist immer offen, die Bestellungen werden dann baldmöglichst bearbeitet, so dass Ihr schnell an die tollen Teile kommt!

Früher war Jessica auch öfter in Berlin, um ihre Ware in Pop-Up-Stores zu verkaufen. Das sind zu Einzelhandelsgeschäften umfunktionierte Läden, in denen man kurzfristig Ladenfläche mieten kann. Sie und die Produkte kamen auch hier sehr gut an. Mittlerweile vermietet sie selbst für befreundete Unternehmen einen Teil ihres Ladens hierfür . Das befruchtet schließlich beide Seiten. Überhaupt ist Jessica eine begeisterte Netzwerkerin und mag es, wenn Synergien und Kooperationen entstehen. In diesem Zusammenhang veranstaltet sie auch Workshops zu unterschiedlichen Themen mit nachhaltigen Unternehmen. So war z.B. vor kurzem ein Workshop zur Herstellung von Naturkosmetik, demnächst gibt es einen Zero-Waste-Workshop und einen zum Thema Kalligraphie.
Doch das ist noch lange nicht das Ende, Jessica hat noch unzählige Ideen, die sie verwirklichen möchte. Ich bin sehr gespannt darauf, was diese inspirierende Frau noch alles bewirken wird – ich bleibe auf jeden Fall an ihr dran!

Unser Gespräch im Interview wurde sehr schnell sehr persönlich, genau das mag ich an diesen Menschen, die ihre Ideen und Träume leben und auf ihr Gefühl hören – man ist sofort auf der gleichen Ebene, weil jeder die Welt ein bisschen besser machen möchte! Und das macht Spaß und verbindet!

Zum Abschluss habe ich Jessica dann noch einige Fragen gestellt:

Was machst du in deiner Freizeit gerne, wenn du nicht gerade für Mit Ecken und Kanten arbeitest?

Am besten entspanne ich beim Yoga bzw. allgemein beim Sport, außerdem koche ich gerne und beschäftige mich intensiv mit Ernährung und Lebensmitteln, lebe seit Jahren quasi vegan (außer wenn ich zu Besuch bei meiner Oma bin).

Was war für dich der ausschlaggebende Moment oder ein Ereignis in deinem Leben, um deinen eigenen Weg zu gehen? Woher wusstest du, dass du das JETZT machen möchtest mit deinem Konzept zu Mit Ecken und Kanten?

Ich fahre total gerne mit der Bahn, höre dann entweder über meinen Kopfhörer Podcasts oder genieße einfach nur die Stille, in der wunderbare Gedanken möglich sind. Die Idee hierzu hatte sie ja schon vorher, aber auf der Fahrt von Hamburg nach Berlin hat es plötzlich Klick gemacht. Ich vertraue schon seit längerem sehr stark meinem Bauchgefühl und das wusste einfach, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um zu starten. Auch wenn ich noch nicht perfekt vorbereitet war, aber das ist man wohl nie.

Welche Blogs inspirieren dich?

Hauptsächlich welche zum Thema Nachhaltigkeit und Minimalismus, hier wären z.B.

Welche Podcasts hörst du gerne?

Ich liebe Podcasts und höre sie gerne, v.a. in der U-Bahn. Mich stresst Lärm, deshalb habe ich grundsätzlich meine Noise Cancelling-Kopfhörer auf. Am liebsten mag ich:

* Bei Jeanine Hurte hat Jessica vor einiger Zeit ein Coaching über Skype gemacht, um ihre Ziele zu definieren und Meilensteine zu setzen – ein voller Erfolg!

Hast du ein Lebensmotto?

„Hab keine Angst, deine Ideen auszuprobieren!“

Und zum Schluss wollte ich noch sagen…

„Mach es einfach und geh los! Lieber 1 Schritt in die richtige Richtung gehen als keinen, weil es noch unperfekt ist!“


Danke an die wundervolle Jessica für ihre tolle Geschichte, die Mut macht, Dinge und Ideen auszuprobieren – auch wenn nicht alles von Anfang an perfekt ist. Man sollte wieder mehr seinem Bauchgefühl vertrauen, das ein guter Berater ist, wenn man es zulässt.
Besucht Jessica unbedingt einmal im Laden Mit Ecken und Kanten – es gibt dort so viel zu entdecken! Und richtet liebe Grüße von mir aus!

Aufgeräumte Grüße,
Eure
Petra