Im hektischen Alltag sind wir oft so beschäftigt, dass wir zu dem, wozu wir wirklich Lust hätten, oft gar keine Zeit mehr haben. Kennst du das auch? Die wohl beste „Ausrede“ für alles mögliche lautete bis vor kurzem überall „Ich habe keine Zeit“. Und sie war auch noch sehr gut zu begründen mit all den Verpflichtungen und Terminen, die es ja auch gab. Also ziemlich praktisch auch, um sich selbst damit abzuspeisen. „Ich würde ja, wenn ich nur könnte. Aber ich weiß einfach nicht, wo mir der Kopf steht“.

Das Problem dahinter: reine Selbstsabotage. Keine Zeit zu haben ist wohl ein Phänomen unserer heutigen Gesellschaft. Denn mal ganz pragmatisch gesehen hat jeder Mensch pro Tag

  • 24 Stunden oder
  • 1440 Minuten oder
  • 86400 Sekunden

Ist also eigentlich genug Zeit für jeden, oder? Laut Statista liegt die durchschnittliche Lebenserwartung eines deutschen Mannes derzeit bei 79,1 Jahren, deutsche Frauen werden laut dieser Statistik 84,1 Jahre. Tendenz zum Glück steigend. Dass eine immer gesündere Lebenshaltung und bessere medizinische Versorgung hier ihr übriges tun, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.

Ich bin jetzt gerade, während ich das hier schreibe, ziemlich genau 42,3 Jahre alt. Quasi Halbzeit, oder Bergfest. Ziemlich krass, oder? Manchmal brauche ich so plastische Vergleiche. Wenn man nun also diese verbleibenden 41,8 Jahre (wenn es denn überhaupt so viele sein werden, man weiß ja nie. Andererseits bin ich gesund und fit und munter, mein Plan ist es also, locker 102 Jahre alt zu werden). Wenn ich aber dennoch – zum anschaulichen Darstellen – diese „übrigen“ Jahre hernehme und auf Tage runterbrechen möchte, komme ich auf diese Übersicht:41,8 Jahre x 365 Tage = 15257 Tage

15257 Tage?

Klingt das nicht verdammt wenig? Ich finde schon. Ich finde, dass mir diese Darstellung wieder einmal aufzeigt, wie kostbar eigentlich alle Tage sind. Jeder EINZELNE! Verdammt kostbar. Und würdig, ihn zu feiern, zu leben, zu genießen, nicht zu vergeuden mit unnötigen Dingen, mit nicht-netten Menschen, mit blöden Verpflichtungen, mit einer unliebsamen Arbeit, die ich des Geldes wegen verrichte, mit einer unglücklichen Partnerschaft, die ich aus Gewohnheit weiter führe, weil sie mich „nicht unglücklich“ macht (aber auch nicht glücklich!).

Zeit ist kostbar – da schreibe ich jetzt nicht DIE Erkenntnis des Jahrhunderts, das weiß ich auch. Dennoch braucht es schon manchmal eine kleine Erinnerung, oder? Gerade jetzt zu Corona-Zeiten, in denen alles plötzlich bewusster erlebt wird, in der jeder zum anderen Abstand halten soll, um niemanden anzustecken. In dieser Zeit wird natürlich auch extrem viel von Todesfällen gesprochen, von Menschen, die vielleicht vorher schon ein angeschlagenes Immunsystem hatten und deshalb zur gefährdeten Zielgruppe gehören. Diese Menschen also, die vielleicht auch mit 79,1 bzw. 84,1 Jahren gerechnet haben, hatten nicht mehr die Chance, ihr Leben vermehrt zu genießen bzw. für die Zukunft zu planen. Weil man im „normalen“ Alltag auch nicht an den Tod denkt – was auch gut ist. Dennoch ist es meiner Meinung nach der beste Zeitpunkt, um jetzt über das Leben vor dem Tod nachzudenken.

Gibt es ein Leben vor dem Tod?

Dieses Leben vor dem Tod also: was ist der Sinn darin? Weshalb leben wir? Diese philosophische Frage werde ich heute nicht beantworten können, möchte aber die Frage an dich stellen. Weshalb lebst du? Was ist deine Aufgabe hier? Warum bist du hier? Was ist dein Ziel, was möchtest du erreichen? Was möchtest du, dass sie auf deiner Beerdigung später über dich erzählen?

Ich habe in einem Coaching einmal eine sehr einschneidende Übung gemacht. Hier sollte man sich überlegen, was die Menschen zum jetzigen Zeitpunkt über einen erzählen würden, welche Menschen überhaupt da wären und was diese bei einer Grabrede oder bei der Trauerfeier sagen würden. Das war schon ziemlich heftig, ist es doch ein Rückblick auf mein bisheriges Leben bis zum heutigen Tag gewesen. Welche Menschen habe ich in meinem Leben, wie verstehen wir uns, wer liegt mir am Herzen, was mache ich beruflich/privat/sozial engagiert, wovon sie berichten würden.
Gefällt mir das? Möchte ich, dass genau das reflektiert wird? Da waren viele Neins…

Der zweite Teil der Übung war dann, dass man sich überlegen sollte, was man MÖCHTE, dass die Menschen dann über einen erzählen. Also was man noch alles vorhat, wenn man erkannt hat, dass man ja jetzt noch alles genau so verändern kann, wie später rückblickend darauf geschaut wird, verstehst du?

Wir alle haben zwei Leben. Das Zweite beginnt, wenn wir realisieren, dass wir nur Eins haben.

Tom Hiddleston

Also: was möchtest du jetzt noch alles machen, um dein zweites Leben zum Besten deines Lebens zu machen? Gerade in der jetzigen Zeit, in der alles zur Ruhe kommt. In der wir zum Innehalten gezwungen sind, in der wir quasi frei von jeglichen Verpflichtungen außer arbeiten und einkaufen sind. In der alle Termine abgesagt sind, wir also Zeit daheim haben. Zeit zum Nichtstun ohne schlechtes Gewissen, zum Gedanken machen, wie wir „danach“ weiterleben wollen, Zeit zum in uns gehen (ohne uns zu verlaufen). Zeit, die wir nutzen sollten. Es ist, als ob die Welt still steht. Was kann dir diese Zeit bringen?

Bist du vielleicht unglücklich in einem oder gar mehreren Bereichen? Bist du unzufrieden mit deiner Arbeit, vielleicht gerade sogar existentiell bedroht durch die aktuelle Lage? Was könntest du daraus Gutes ziehen? Ich weiß, viele werden jetzt aufschreien! Was soll daran Gutes sein? Und ja, du hast auch recht. Ich sage bewusst auch! Weil es mehrere Seiten der Medaille gibt – genau zwei nämlich. Was, wenn diese eine Seite, die du kennst, nun nicht mehr nur die einzige ist. Sondern wenn du daraus nun deine Chance nutzt, jetzt neu zu starten. Alles zu überdenken, was so gerade nicht mehr funktioniert. Oft habe ich in letzter Zeit schon gehört, dass Menschen mit ihrer Arbeit eigentlich gar nicht mehr so richtig zufrieden waren und plötzlich den Mut hatten, etwas zu verändern. Etwas Neues auszuprobieren, wozu sie vorher keine Zeit hatten (da war es wieder), nicht den Mut hatten oder dass die Zeit oder sie selbst einfach nicht reif genug waren.

Was könnte es bei dir sein? Gerade jetzt, wo Homeoffice an der Tagesordnung steht, sogar in Betrieben, in denen das vorher nicht möglich war. Hausaufgaben und Schulstoffvermittlung wird plötzlich digital vermittelt – die Digitaloffensive hätte hierfür sicher noch einige Jahre im „normalen“ Zustand gebraucht. Online-Kurse werden überall im Internet angeboten. Und zwar zu Themen, die sonst ausschließlich offline angeboten werden. Ist es nicht eine tolle Chance, jetzt auch für dich das Beste draus zu machen? Für deine „verbleibenden“ Jahre und Tage. Zeit hast du ja jetzt…

Oder ist deine Beziehung schon länger nicht mehr so, wie du dir eine glückliche Beziehung vorstellst? Und jetzt sitzt ihr andauernd aufeinander, es wird noch klarer für dich, dass du mit diesem Partner definitiv nicht deine restlichen Tage verbringen möchtest. Was hält dich? Hast du wirklich alles versucht? Versteh mich nicht falsch: keiner soll hier eine Trennung überstürzen. Gib alles, versuch alles, hast du alles getestet, dich voll und ganz auf die Rettung deiner Beziehung eingelassen? Dann, wirklich erst dann kannst du darüber nachdenken! Wirf dir nix vor. Ein Lebensmotto von mir ist: ich möchte später nichts bereuen. Vor allem bereut man Dinge, die man NICHT getan hat. Also versuche alles. Und wenn alles nichts hilft: dann geh deinen Weg. „Wie viele Tage hast du noch“? Wie möchtest du die verbringen?

Sei mutig, die Mutigen werden am Ende immer belohnt. Riskiere etwas, höre auf dein Bauchgefühl. Bauchgefühl ist in Wahrheit Intuition. Intuition speist sich aus allem Wissen, aus Erfahrungen, ist also keine schnell-aus-der-Hüfte-geschossene-Antwort, oder?

In welchem Bereich ist jetzt also Zeit für Veränderung? Jetzt zählt die Ausrede „keine Zeit“ nicht mehr. Mach dir endlich Gedanken. Lenk dich nicht ab. Setz dich hin und überlege, wie du deine Jahre verbringen möchtest.

Übrigens hat mich diese Übung mit der Grabrede sehr verändert. Der letzte Teil der Aufgabe war dann, sich diese Gradrede laut vorzulesen. Es war eine Taschentuchorgie, das kann ich verraten. Aber ich weiß jetzt, wie ich leben möchte. Was ich alles noch machen will. Dass es mir egal ist, was fremde Menschen über mich denken oder reden. Meine Lieblingsmenschen sind mir natürlich nicht egal, ganz im Gegenteil. Ihre Meinung möchte ich wissen und überdenke sie gründlich, ob sie passt. Letztlich verlasse ich mich – nach Einholung dieser wichtigen Meinungen – auf mein Bauchgefühl. Ich habe festgestellt, dass es am besten weiß, was gut für mich ist. Und das leitet mich, so dass ich intuitiv meinen Wünschen folge. Mir ist es egal, wenn ich scheitere. Rückblickend sind es doch genau die Situationen, aus denen wir gestärkt hervorgehen, in denen wir über uns hinausgewachsen sind, die uns stark und mutig gemacht haben. Hinfallen? Klar, tut vielleicht weh und ist unangenehm. Aber deshalb in der Komfortzone einigeln? No Chance! Keine Zeit ist für mich keine Ausrede mehr. Wie ist es bei dir?

Was würdest du auf deiner Beerdigung hören wollen? Wer sollte da sein um dich zu verabschieden? Wie soll dein Leben am Ende gewesen sein?

Das Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ von Bronnie Ware habe ich vor vielen Jahren gelesen. Es geht um den Sinn des Lebens, um das, was im Leben (vor dem Tod) wirklich wichtig ist. Zusammenfassend kann man sagen:

1. „Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen – anstatt eines, das andere von mir erwarteten.“2. „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.“3. „Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, meine Gefühle zu zeigen.“4. „Ich wünschte, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben.“5. „Ich wünschte, ich hätte mich glücklicher sein lassen.“

Das Buch ist wirklich lebensverändernd. Also perfekt für diese stille Zeit, in der wir gerade leben, oder? Was wünschst du dir für dein zweites Leben?

Aufgeräumte Grüße,
deine Petra