Das erste Aufräumcoaching hatte ich bei einer Kundin im Oktober 2018. Ich hatte gerade mit der Aufräumerei angefangen und da hat sie mich schon über Facebook entdeckt. Was für eine Freude für mich, so ganz am Anfang stehend. Bei diesem Coaching habe ich gleich meine erste Lektion gelernt, ich nenne sie liebevoll meine „Picknickkorb-Lektion“. Von der möchte ich dir heute berichten.

Bei der Kundin, ich nenne sie hier einfach einmal Lisa (Name völlig frei erfunden) war es ziemlich chaotisch. Die 4-köpfige Familie war vor ein paar Wochen erst in die Wohnung gezogen und hatte praktisch noch nichts ausgeräumt. Die kleinen Zwillinge machten es schier unmöglich, tagsüber etwas aus den vielen Kartons zu räumen, die von den Umzugshelfern leider wahllos in allen Räumen verteilt wurden. Normalerweise, wenn ich so etwas begleite, stehen die Kartons dann schon in den richtigen Räumen, so dass man sich Raum für Raum vorarbeiten kann und alles zumindest schon in den richtigen 4 Wänden steht. Das erleichtert die ganze Einräumgeschichte natürlich ungemein. Aber gut, man muss die Situationen nehmen, wie sie sind.

Bei der Vorbesprechung, welchem Raum wir uns zuerst widmen wollen, fiel mein Blick auf einen wunderschönen, in durchsichtiger Geschenkfolie verpackten Picknickkorb auf einem Wohnzimmerschrank. Bei der Frage, was das für ein toller Korb sei und ob Lisa ihn schon einmal verwendet hatte, wurde sie ganz traurig. Den hatte ihr eine Freundin vor vier Jahren (!!!) geschenkt, weil sie immer so einen haben wollte. Mit Picknick verbindet wohl jeder sofort ein romantisches Date zu zweit draußen an einem idyllischen Ort, vielleicht an einem See oder am Flussufer, unter einem schattenspendenden Baum. Eine tolle, bequeme Picknickdecke, wunderschönes Geschirr und die köstlichsten Köstlichkeiten, die der Picknickkorb hergibt. Oder? So auch Lisa einstmals. Auf meine Frage, weshalb der Korb denn nun noch eingepackt sei meinte sie, dass sie so gerne eine Frau wäre, die auf solche romantischen Dates draußen steht, bei dem man gemeinsam den Picknickkorb mit Leckereien füllt und sich dann einen tollen Platz auswählt, an den man fährt. Allerdings ist sie nie so eine Frau gewesen. (Mehr Ideen für romantische Dates verrate ich dir übrigens bei meinen Date-Nights bei „Raus aus der Komfortzone“ 😉 )

Korb mit Obst und Brot

Sie ist schon gerne draußen, allerdings dann mit den Kindern am Spielplatz, praktischerweise kauft sie sich dann im Supermarkt um die Ecke gerne Brezen und Obst, damit es für die Kinder schnell geht. Woran ja nichts verwerfliches ist, oder? Eben. Allerdings erinnert sie der Picknickkorb ständig, sozusagen als Mahnmal, daran, dass sie eben nicht diese Frau ist, die sie so gerne gewesen wäre. Auf meine Frage, ob ihr der Korb denn beim Anblick ein schlechtes Gefühl bzw. sogar schlechtes Gewissen macht, hatte sie Tränen in den Augen. „Er erinnert mich jeden Tag daran, dass ich nicht so bin wie ich es gerne wäre“ – war die Antwort. Und warum sie ihn denn nie ausgepackt hatte? Weil es sie nervt, die Dinge kleinteilig vorzubereiten und dann mit dem schweren Korb kilometerweit über eine Wiese zu laufen – um dann den Korb später wieder zurück zum Auto zu tragen.

Warum erzähle ich dir diese Geschichte?

Weil wir mit Gegenständen, die wir uns vielleicht einmal teuer gekauft oder haben schenken lassen, eine Version von uns im Kopf haben, die vielleicht nicht der Wirklichkeit entspricht. Weil wir vielleicht nie diese Person werden, was auch gar nicht so schlimm ist:

  • die teuren Laufschuhe machen uns nicht per se zur Marathonläuferin – dann sollte man sie auch nutzen und laufen gehen
  • die unhandliche Hantelbank im Keller lässt uns nicht zur Bodybuilderin werden, wenn sie nur verstaubt und Platz wegnimmt
  • das Keyboard, das in der hintersten Kellerecke steht, macht uns nicht automatisch zur Musikerin
  • Und eben: weil uns der Picknickkorb nicht zur romantischen Frau werden lässt, die wir vielleicht gerne wären.

Fazit:

Ich werde hier nicht näher auf die Verkaufspsychologie eingehen, die Strategien sind uns wohl allen bekannt. Aber wichtig ist es mir als bekennende Minimalistin, dass Gegenstände definitiv KEIN schlechtes Gefühl oder gar schlechtes Gewissen machen sollten. Beim Ausmisten bei Coachings vor Ort gehe ich immer auf die Gefühle ein, die Gegenstände auslösen.

  1. Sie sollen glücklich machen und
  2. nützlich sein und
  3. benutzt werden

Gegenstände machen dich nicht zu einer anderen Person. Deine Identität macht dich zu einer anderen Person.

Nicht mehr, nicht weniger. Jedenfalls sollen sie dich nicht an negative Situationen erinnern oder an Menschen, denen du etwas „schuldig“ bist. Und keine falsche Identität versprechen, die man nicht halten kann. Ich glaube, dass wir eben NICHT mit dem Kauf eines Gegenstandes zu der Person werden, die wir gerne wären. Wir müssen erst zu der Person werden, die diese Gegenstände dann auch nutzt. Laufschuhe alleine machen es nicht aus, du musst schon laufen gehen (und da genügen anfangs die getragenen Turnschuhe). Eine romantische Person kann auch einen Rucksack mit leckeren Köstlichkeiten füllen und ein Picknick veranstalten (oder sich einen Picknickkorb ausleihen).

Was aus dem Picknickkorb von Lisa geworden ist? Wir haben besprochen, dass sie den Korb einer Freundin schenkt, die immer wieder ganz neidisch auf Lisa’s Schrank geschielt hat. Von der sie ihn sich auch einmal ausleihen könnte, wenn sie doch Lust dazu bekommen sollte. Aber dann ohne schlechtes Gewissen. Weil man nicht alles selbst besitzen muss, ein minimalistisches Leben kann hier der Weg zum einfachen Leben sein – für mich ist es das jedenfalls.

Meine Lektion:

Dinge machen dich nicht per se zu einem anderen Menschen. Du willst ein anderer Mensch werden? Dann werde zu einem. Dinge können deine Identität unterstreichen, nicht mehr und nicht weniger. Es kommt übrigens nie auf die Dinge an, schon spannend, wie viel Aufmerksamkeit und Zeit wir ihnen unnötig widmen, oder? Standard-Motto hierfür: Am Sterbebett wünscht sich wohl niemand, dass er mehr Dinge gehabt hätte. Weshalb erst am Ende des Lebens so eine Lektion verinnerlichen, wenn es doch jetzt und hier und heute möglich ist und das Leben noch dazu immens erleichtert und vereinfacht. Diese Lektion habe ich gelernt! Danke Lisa!


Alles Liebe für dich,

deine Petra